Viennale: Wie gefühlskalt darf eine Mutter sein?

„Mal Viver“ von João Canijo erzählt von toxischen Familienverhältnissen.

Darf eine Mutter die eigenen Töchter nicht lieben? Darf sie sich nicht mütterlich verhalten, gar gefühlskalt sein? Der portugiesische Filmemacher João Canijo (Blood Of My Blood) präsentiert 2023 mit Mal Viver (Bad Living) und Viver Mal (Living Bad) gleich zwei Filme, die das Gegenstück des jeweils anderen Filmes bilden. Während sich Bad Living mit dem Schmerz und der lähmenden Angst des Mutterseins beschäftigt, konzentriert sich Living Bad auf den Kummer und die Frustration des Kindseins. 

In Bad Living fragt sich Piedade (Anabela Moreira), wieso ihre jüngste Tochter Salomé (Madalena Almeida) sie denn nicht verlasse. Sie wollte, dass sie unabhängig ist und mit ihrem eigenen Leben vorankommt. Aber sie könne wohl nicht ohne sie leben, das scheint Piedade zu missfallen. Nachdem Salomés Vater vor einigen Tagen verstorben ist, kehrt die Jüngste aus dem Familienbunde zurück in das modernistische Hotel ihrer Großmutter Sara (Rita Blanco), das am Meer und am Fluss Càvado in Esposende liegt und wiederum von deren Töchtern geführt wird. 

Der Verlust soll im Familienkreis betrauert werden. Aber die Kaltherzigkeit der Mutter macht besonders Salomé zu schaffen und auch Piedade weiß, dass sie ihre Tochter eigentlich nur verletzen kann. Doch die emotionale Distanz zieht sich offenbar durch alle Generationen der weiblichen Hoteliersfamilie. Jede Frau wird gequält, und jede Frau fügt ihre Qualen anderen zu. João Canijo ergründet so auch auf visueller Ebene die Frage nach (un)gewollter Mutterschaft und toxischen Familienverhältnissen.  Sarah Riepl

Viennale-Termine:

Mal Viver: 25.10., 20.30 Uhr, Stadtkino im Künstlerhaus, 28.10., 13.45 Uhr, Urania
Viver Mal: 26.10., 21.00 Uhr, Urania

Tickets: www.viennale.at

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